Beethoven. Unerhört. Grenzenlos
Ballett von Guido Markowitz und Damian Gmür
Beethovens Musik in der Sprache des Zeitgenössischen Tanzes
Taub sein. Keine Worte mehr hören, keine Sprache und auch keine Töne. Aber in Ohren und Kopf ein Sausen und Brausen Tag und Nacht, das zu ertragen war. Dazwischen: umfassende musikalische Sätze, Gedanken, Bilder und Visionen. Unvorstellbar sind für die Hörenden Leiden und Kraft, die Ludwig van Beethoven als Komponist und als Mensch in seinem Leben aushalten musste und aufbringen konnte. Die Gehörlosigkeit führte den Komponisten, der 1770 geboren worden war, ab seinem 48. Lebensjahr schließlich in die absolute Stille. Dennoch schenkte er der Menschheit sein wenn nicht größtes Werk: Die 9. Sinfonie. Bis heute gilt sie als vollkommener Ausdruck der Idee von der Erneuerung des Menschen und der Welt. Als monumentale, sinfonische Gesamtkomposition gleicht sie einem Wandgemälde der Welt im Übergang in ein neues Zeitalter. Es zeigt sie in brodelndem Urzustand und mit hereinbrechendem Licht; in einer dionysischen Feier der Menschen in neuer Gemeinschaft, die sodann versucht, zu einer heroischen Entschlossenheit zu gelangen. Auf den letzten Flecken der Leinwand wird das neue Weltalter angekündigt, in dem der Mensch in Rückbesinnung auf die Natur zu eigener edler Natur findet.
Ballettdirektor Guido Markowitz und Co-Choreograf Damian Gmür wählen Beethovens sinnstiftende Musik jetzt als Grundlage für ihre neue gemeinsame Arbeit im Großen Haus. Zusammen mit Generalmusikdirektor Robin Davis, den Tänzerinnen und Tänzern des Ballett Theater Pforzheim, Sounddesigner Fabian Schulz, Videobildner Philipp Contag-Lada und Kostümbildnerin Erika Landertinger dekonstruieren sie im Zuge ihrer Auseinandersetzung mit den Zuständen der Welt Beethovens 9. Sinfonie und gelangen so zu einer expressiven zeitgenössischen Tanz-Erzählung über starke Kräfte, die gegensätzlich auf Mensch und Welt einwirken und sie herausfordern. Themen, die Markowitz und Gmür in ihren jüngsten Werken „Die vier Jahreszeiten“, „Brahms – Glaube Liebe Hoffnung“, „Wolken die uns nicht tragen“ und „45“ bereits aufgegriffen haben, werden dabei fortgeführt. Markant: Tänzerinnen und Tänzer des Urban Theater Pforzheim Lab wirken erstmals an einer großen Produktion des Ballett Theater Pforzheim mit. Die Vielfalt von Tanz als Energie, Sprache und Stil ausschöpfend, überführen Guido Markowitz und sein Team so Beethovens „Evangelium der Weltharmonie“, in dem der Mensch, so Friedrich Nietzsche, „das Gehen und Sprechen verlernt habe und auf dem Wege sei, tanzend in die Lüfte emporzufliegen“, in neue Bilder und eine spannungsvolle, assoziationsreiche Erzählung über das Mauern und Verzagen, das Aufbrechen, Kämpfen und Verändern.
Nachdenklich machen wird der Schluss dieser neuen Premiere: Der berühmte vierte Satz mit Friedrich Schillers Zitat "Freude, schöner Götterfunken" als Ausdruck universeller Gemeinschaft wird nicht mit einem groß besetzten Chor realisiert werden können. Stattdessen verwandeln die Künstler ihn in ein überraschendes Finale.
Dauer: ca. 80 Min, keine Pause
Fotos: Andrea D'Aquino.
Weitere Infos
Besetzung
Tänzer – Charles Antoni, Mirko Ingrao, Dominic McAinsh, Willer Gonçales Rocha, Emanuele Senese, Tse-Wei Wu
Tänzerinnen – Marta Allocco, Mei Chen, Fabienne Deesker, Elise de Heer, Stella Covi, Eunbin Kim, Mikaela Kos, Eleonora Pennacchini, Sara Scarella (a.G.)
Urban Theater Pforzheim Lab 2 – Philipp Raiss, Maren Wittig, Sergej Kalyukh, Donya Ahmadifar
Solistinnen und Solisten – Jina Choi, Stamatia Gerothanasi, Dirk Konnerth, Paul Jadach
Badische Philharmonie Pforzheim
Musikalische Leitung – Robin Davis
Choreografie und Inszenierung – Guido Markowitz, Damian Gmür
Bühne – Philipp Contag-Lada
Kostüme - Erika Landertinger
Dramaturgie – Alexandra Karabelas